Dr. Joachim Zeune sprach über die erfolgreiche Erhaltung der Raueneck
In der Veranstaltungsreihe im Rahmen der aktuellen KUNSTSTÜCK-Saison hielt der bekannte Burgenforscher Dr. Joachim Zeune am 7. April 2022 im alten Rathaus in Ebern einen Bildervortrag über die von ihm geleitete Restaurierung der Burg Raueneck. Bei dieser Sanierung kamen neue, unerwartete Aspekte zur Baugeschichte zutage.
Der Vortrag war schon mehrfach wegen der Corona-Pandemie verschoben worden und konnte nun, wenn auch mit einer noch begrenzten Besucherzahl, endlich stattfinden.
Dr. Zeune hielt einen Vortrag über die Raueneck. Foto: C. Tangermann
Dr. Zeune, der in Bamberg in Mittelalterarchäologie promovierte, betreibt seit 1994 ein Büro für Burgenforschung in Eisenberg im Ostallgäu und beschäftigt sich mit der Erforschung, Sanierung und kulturtouristischen Erschließung von Burgen und Burgruinen bundesweit und im Ausland. Seit 2004 ist Dr. Zeune Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung und Kurator des Europäischen Burgeninstituts. Allein in den Haßbergen wurden in den letzten 25 Jahren acht mittelalterliche Burganlagen unter Mitarbeit von Dr. Zeune erforscht und saniert. Der aus dieser Zusammenarbeit hervorgehende 40 Kilometer lange “burgenkundliche Lehrpfad” wurde für viele ähnliche Projekte andernorts zum Vorbild und bildete die Grundlage für den „Deutschen Burgenwinkel“.
Zu Beginn des Vortrags begrüßte Zeune insbesondere Altlandrat Rudolf Handwerker und hob hervor, dass die damalige gute Zusammenarbeit, beginnend 1994 mit der Burgruine Lichtenstein, entscheidend zum Erfolg der Haßberger Burgenprojekte beigetragen habe.
Der Zugang zu der stark vom Zerfall bedrohten Burgruine Raueneck war bis 2006 wegen Einsturzgefahr gesperrt. Dann folgten mehrere Sanierungskampagnen. Hinzu kam im Sommer 2006 eine vierzehntägige Lehrgrabung unter der Ägide der Gesellschaft für Archäologie in Bayern, die zur Aufdeckung des historischen Hofniveaus und des ehemaligen Küchentraktes der Burg führte.
Zeune erklärte im Detail und mit unterschiedlichen Farben die Herkunft einzelner Burganteile, je nach Phase der Baugeschichte; ähnlich wie die Burgruine Lichtenstein handelt es sich um eine über Jahrhunderte komplex gewachsene Burganlage, die in der Zeit der Hussiten-Einfälle mit einer weiteren großen Umwehrung versehen wurde.
Von Anfang an schlossen die Arbeiten zur Erforschung und Vorbereitung der Sanierung eine fortwährend aktualisierte Bestandsaufnahme und Schadenskartierung mit ein. Im Vortrag wurden die einzelnen Bauabschnitte der Sanierung, von 2006 bis 2019, erklärt. Abschließend erfolgte eine Sanierung der äußeren Umwehrungsmauer, die damals im Rahmen eines regelrechten Wehrbau-Booms um 1430 zum Schutz vor den Einfällen der Hussiten entstanden war. Die Familie Marschalk, seit 1378 Dienstmannen des Hochstifts Würzburg, investierten angesichts der Hussiten-Bedrohung 1430 die gewaltige Summe von 200 Gulden in die Absicherung der Burg durch eine neue Mauer mit etlichen Innovationen. Außerdem wurden, auch angesichts der neuen Bedrohung durch Feuerwaffen, weitere Verbesserungen der Wehrarchitektur vorgenommen, wie zum Beispiel der Einbau geeigneter Schießscharten.
Zu Anfang des Projekts, so berichtete Dr. Zeune, war der Zustand der Ruine und der Mauerreste wegen der erheblichen Überwucherung mit Efeu und auf dem Gemäuer wachsender Bäume und Sträucher kaum zu erkennen. Erst nach der Entfernung des Überwuchses wurden viele schadhafte Stellen, aber auch Einzelheiten der verbleibenden Architektur, erkennbar.
Die neuere Kapelle mit dem alten Zugang zur Burg. Foto: C. Tangermann
Großer Wert wurde auf die Stabilisierung einer “Streichwehr” gelegt – ein hussitenzeitlicher erkerartiger Schießschartenvorbau, der in sehr ähnlicher Form auch an der fast zeitgleichen Stadtmauer von Zeil am Main zu finden ist, was möglicherweise darauf hindeutet, dass sowohl dort als auch an der Burg Schmachtenberg derselbe Baumeister am Werk war.
Zeune erläuterte, dass bei der Sanierung einer mittelalterlichen Burganlage ein Konzept zur behutsamen Sicherung des noch vorhandenen Originalbestandes besonders wichtig sei; auf Ergänzungen oder Wiederherstellung sollte dabei weitgehend verzichtet werden. Wichtig seien aber auch eine immer wieder zu aktualisierende sorgfältige Dokumentation und Bauforschung.
Die Sanierung sollte so weit wie möglich auf alte, schon bei der Entstehung verwendete Baumaterialien zurückgreifen. Leider stieß man auf der Raueneck immer wieder auch auf frühere unsachgemäße Versuche, den Bau zu erhalten. So hatte man bei vorausgegangen Versuchen modernen Zement verwendet, der das alte Mauerwerk allerdings stark schädigen kann. Daher wurde bei der Sanierung durch Zeune der früher verwendete Kalkmörtel eingesetzt.
Die neue Umwehrung von 1430 gegen die Hussiten. Foto: C. Tangermann
Löschkalk war schon seit dem 12. Jahrhundert als Bindemittel für Bruchstein- und Quadermauerwerk eingesetzt. Zum Burgenbau wurden große Mengen Brandkalk benötigt; das Kalkbrennen war ein spezielles, besondere Kenntnisse erforderndes Bauhandwerk. In großen Kalköfen wurde kalkhaltiges Gestein über mehrere Tage bei hohen Temperaturen bis auf ca. 1000 Grad erhitzt; nach Ausglühen des Gesteins bleibt ein weißer, leicht zu pulverisierender Rest zurück. Das Kalkbrennen erforderte enorme Mengen an Brennholz; es wird geschätzt, dass für den Aufbau einer mittelgroßen Burg ca. 200 m3 Kalkmörtel und dafür mehr als 600 Ster Brennholz gebraucht wurden.
Dieser enorme Holzbedarf ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass damals um die Raueneck herum auf dem Haubeberggipfel kaum noch Bäume standen – für die Burgbewohner war damals sicherlich von Vorteil, eine unverstellte Rundumsicht zu haben, zumal die Burg als Herrschaftszentrum unübersehbar in der Landschaft stand.
Dr. Zeune hob einen interessanten und für die moderne Sanierung und Wiederherstellung der Anlage wichtigen Punkt hervor. Raueneck, aber auch einige andere Burgruinen des “Burgenwinkels”, waren viele Jahre immer wieder von sogenannte Esoterikern und “Satanisten” heimgesucht worden, die dabei teils große, den Verfall der Burgen beschleunigende Schäden anrichteten. Erst die Einrichtung des Burgenlehrpfades hatte diesem sinnlosen Treiben ein Ende gesetzt, von dem nur noch einige eingemeißelte Inschriften Zeugnis geben.
Eine rege Diskussion schloss sich dem Vortrag an. Dr. Zeune beantwortet Fragen zum Standort der neueren Kapelle und des alten Zugangs zur Burg, zu den noch erkennbaren Kreuzen in der Kapelle und zur Tatsache, dass noch während der Sanierung 2019 ein dreiteiliger, schwerer verzierter Steinbogen “verschwand”. Einer dieser drei Steine trug das Wappen der Rauenecker: einen steinernen Schild mit einem Schrägbalken. Dieser herbe Verlust wird immer noch sehr bedauert und bleibt ungeklärt.
Auch die Frage nach dem nicht mehr vorhandenen, wahrscheinlich großen Bergfried konnte noch nicht vollständig beantwortet werden; obwohl während der Sanierung seine ehemalige Position und ungefähren Dimensionen im Burginneren klar wurden, wird eine Klärung erst nach weiteren Ausgrabungsarbeiten möglich sein.
Für alle Anwesenden war dies ein sehr anregender Abend und es ist zu hoffen, dass die Veranstaltung, wie geplant, für die vielen Interessierten, die keinen Platz mehr finden konnten, wiederholt wird.
Text und Bilder von C. Tangermann